Nepalbericht 2023
Hilfe für die Kinder vom Dach der Welt –
6.30 Uhr morgens, die Sonne leuchtet wie ein Feuerball im milchigen Himmel. Das Flugzeug kann noch nicht direkt am Flughafen Tribhuwan International in Kathmandu landen, also noch eine Extra-Runde! Ein Glück, so kann ich die beeindruckenden, schneebedeckten Berge des Himalayas genießen.
Namasté Nepal – wie sehr freue ich mich, wieder in Nepal zu sein! „Was reizt mich denn immer wieder an diesem Land?“, das ich seit 2001 regelmäßig bereise. Die Andersartigkeit der Menschen und die Freundlichkeit der Nepalesen berühren mich immer wieder zutiefst. Sonam Phuntsok war damals meine erste Begegnung, und seitdem ist er mein Patenkind. In diesem Jahr wird Sonam 30 Jahre alt.
Durch unsere Projekte in der Schule und unser langjähriges Engagement helfen wir vielen Menschen in Nepal. Und auch in diesem Jahr ist es für mich eine Herzenssache unsere verschiedenen Projekte der Gesamtschule vor Ort zu besuchen und mithilfe unserer Spendengelder zu unterstützen. Vor dem Flughafen erwartet mich mein treuer Freund und Vertrauter Namgyel, der unser Nepal-Projekt seit vielen Jahren unterstützt. Herzliche Begrüßung mit Khata, dem traditionellen Begrüßungsschal der Nepali – ein Symbol für Glück.
Kathmandu ist chaotisch, überfüllte Straßen und Busse, die vielen kleinen Taxis, Rikschas, die Menschen und Waren transportieren, viel zu viele Mopeds überholen halsbrecherisch links wie rechts und dazwischen Fußgänger. Bunt bemalte Lastwagen sehen aus wie riesige angemalte Pappkartons, schwarze, stinkende Wolken qualmen aus dem Auspuff. Schlaglöcher verlangen ganz schön viel Aufmerksamkeit und Ausweichmanöver.
Es ist heiß, die Luft ist stickig und staubig. Kathmandu zählt zu den Metropolen mit der weltweit schlechtesten Luft. Verkehrsregeln sind für mich nach wie vor nicht so wirklich erkennbar, aber irgendwie funktioniert es mit Hilfe von Lichthupe und Dauerhupe! Das Hupen scheint jede Verkehrsregel zu ersetzen. Trotz erkennbarer Schilder mit einem Hup-Verbot – wird gehupt; beim Abbiegen und bei einer Kreuzung – wird gehupt, bei Überholung – wird gehupt! Wenn Menschen die Straßen überqueren wollen – wird gehupt! Ampeln gibt es kaum – der Verkehr wird durch Handzeichen und Trillerpfeifen von Polizisten geregelt! Der Fahrstil ist chaotisch, aber irgendwie klappt es trotzdem, und ich erreiche meine Bleibe in Thamel.
Für meinen zweiwöchigen Aufenthalt habe ich mir viel vorgenommen. Zweifellos ist die Begegnung mit den Behinderten und Waisenkindern in Panchkhal (ca. 3 Fahrt-Stunden von Kathmandu entfernt) immer ein Höhepunkt der Reise. Für die Heimbewohner – sowohl Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung als auch Waisen, die wir bereits seit 8 Jahren unterstützen, kann ich immer wieder feststellen, dass es wirklich nicht viel braucht, um ein Lächeln aus ihnen zu zaubern. Panchkhal ist eine staatliche Einrichtung, daher ist unser „Einfluss“ eher beschränkt! Der Staat sorgt dafür, dass Reis und Linsen (Dhal) täglich für zwei Mahlzeiten für die Heimbewohner ausreichend vorhanden sind. Darüber hinaus ist die Versorgung sehr eingeschränkt. Insgesamt sind in Nepal die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen schwierig. Für die Kinder und Jugendlichen in Panschkhal ist kein Schulbesuch möglich. Es werden keine Therapie- bzw. Rehabilitationsprogramme angeboten. Die Behinderten in Panchkhal sind alle hilfsbedürftig.
Im Gepäck hatte ich aus Mechernich so einiges dabei…
Unsere „Eifeler-Nepal-Oma“, die unser Projekt seit Jahren liebevoll durch Näharbeiten unterstützt, spendete für Panchkhal ein fast neues Gefährt; eine Kombination aus Rollator und Rollstuhl. Genau das Richtige für Jabin – endlich kann er seinen Holzknüppel gegen einen Rollator eintauschen – eine wahre Attraktion für Jabin und die Heimkinder. Auch hatte ich dank der großzügigen Spenden von Schülern und Kollegen leuchtende Igelbälle, Yo-Yos sowie ein Netz mit Flummibällen im Reisegepäck. Strahlende Gesichter erwarten mich, die Neugierde ist riesig; bei meinem Besuch bringe ich für jeden Heimbewohner kleine süße Überraschungen mit (Schokolade, Gebäck, Säfte und Nudeln) – das hat schon Tradition!
Im Dorf Panchkhal besorge ich die Zutaten für ein reichhaltiges Mittagessen (Kartoffeln, Blumenkohl, Spinat, Linsen, Reis und Hühnerfleisch). Es wird gemeinsam gekocht und für alle Heimbewohner soll es ein besonderes Festessen sein (es ist ja auch Ostersonntag!)….. Supermärkte im klassischen Sinne sind Fehlanzeige, vielmehr sind es oft kleine Bretterbuden am Straßenrand. Das Essen in der Gemeinschaft ist ein besonderer Moment. Als erstes nehmen die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Plätze ein, die anderen Kids stellen sich in einer Reihe auf, schön der Größe nach. Dann kann es losgehen! Dank der Spenden aus Mechernich können die Kinder heute eine reichhaltige, gesunde und warme Mahlzeit genießen!
Es gibt genug, sogar Fleisch – eine Rarität auf dem Speisezettel. Jedes Stückchen Hühnerfleisch, oft mehr Knochen als Fleisch, wird genüsslich gelutscht. Gegessen wird traditionell mit der rechten Hand. Nach dem Essen verteile ich die gespendeten Igelbälle und Yo-Yos. Ich wusste gar nicht, dass diese Mitbringsel einen solchen Zauber auslösen können!
Unsere Spenden sollen ganz persönlich für jedes Heimkind ausgewählt werden. Also entscheide ich mich in diesem Jahr für Turnschuhe für alle!!!
Entweder laufen die Kids hier barfuß oder mit Latschen…. Schuhe sind eher eine Seltenheit! Für jeden Heimbewohner gibt es neben den Sportschuhen auch Socken und einen „Nike“-Rucksack. Es wird ausgepackt – fühlt sich ein wenig an wie Weihnachten! Zuerst werden die Socken angezogen – manchmal sind sie zu groß oder zu klein; dann wird mal schnell getauscht oder es wird passend gemacht!! Man sieht nur Schuhe und bringt Kinderaugen zum Strahlen.
Besuch im Lepra-Dorf
Über schmale und holprige Wege erreichen wir das Leprosium Khokana Touda – ein Lepradorf am Stadtrand von Kathmandu, das ich zuletzt 2019 mit unseren Schülern besucht habe. Bereits im letzten Jahr wollte ich dorthin – jedoch waren unsere Spendengelder für andere Projekte bereits aufgebraucht. 2019 lebten hier rund 90 Leprakranke, inzwischen ist die Zahl auf das Doppelte angewachsen. Für mich ein „Muss“, endlich in diesem Jahr das Lepra-Dorf dank der gesammelten Gelder aus Mechernich aufzusuchen!
Lepra gilt als eine Krankheit der Armut. Und da Nepal ein sehr spirituelles Land ist, gilt sie oft als eine Strafe der Götter! Die Infektionskrankheit kann zwar mittlerweile mit Medikamenten geheilt werden, jedoch erkranken in Nepal auch heute noch viele Menschen daran. Bei zu später Behandlung hinterlässt sie vor allem an Armen und Beinen eine vollständige Gefühlslosigkeit. Einige haben ein entstelltes Gesicht, andere haben keine Finger, keine Hände oder der Fuß fehlt.
Wir kommen an – ein riesiges Eisentor wird geöffnet. Unser Auto ist wieder bis oben vollgepackt – für die 180 Bewohner haben wir Lebensmittel, Seife, Zahnbürsten, Zahnpasta und andere Hygieneartikel mitgebracht. Auch Reis, Schwarztee, Speiseöl und verschiedene Gewürze hatte ich im Gepäck – alles Waren, die für die Erkrankten unerschwinglich sind. In Scharen kommen die Bewohner aus ihren einfachen Hütten mit Metallschüsseln, leeren großen Reisbeuteln, sogar mit Eimern, um die Spenden aus Mechernich abzuholen. Wir versammeln uns um den einzigen Baum, der dem zentralen Platz des Lepra-Dorfes etwas Schatten bietet. Unsere Spenden werden ausgeladen und an die Bewohner verteilt. Ganz schön anstrengend für manche Leprakranken, die Beutel zu halten! Aber sie lächeln und mit einer demutsvollen Haltung werden die Hände trotz Verkrüppelung vor der Brust gefaltet – so drücken sie ihre Dankbarkeit aus.
Brillen werden ausgepackt und sind heiß begehrt.
Ein Ansturm! Die Bewohner reißen mir fast die Lesebrillen aus der Hand. Die Brillen werden ausprobiert – zu scharf, unscharf, zu groß, auch manchmal die falsche Farbe. Es wird so lange probiert bis die passende gefunden ist! Leider habe ich viel zu wenig mitgebracht! Diese Menschen brauchen dringend einen Augenarzt. Da in Nepal die Menschen den schädlichen UV-Strahlen der Sonne besonders intensiv ausgesetzt sind, ist der Wunsch der Bewohner nach Sonnenbrillen groß.
Eine tief bewegende Erfahrung. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele Augen von Lepra-Kranken so hautnah vor mir gehabt. Nachdenklich habe ich mich verabschiedet – eine Begegnung, die mich so schnell nicht mehr loslässt…. Aber mit dem Versprechen, im nächsten Jahr wieder mit Sonnenbrillen und weiteren Spenden zurückzukehren. Nepal feiert das Neue Jahr, das Jahr 2080! Schüler haben ca. 10 Tage schulfrei, bevor für sie das neue Schuljahr beginnt. Ich freue mich, unsere Patenkinder in unserer Partnerschule in Kirtipur zu begrüßen und die Verteilung unserer Geldspenden einzuleiten.
In Jawalhakel haben wir in den zwei Pandemiejahren ein verstärktes Augenmerk auf die älteren Menschen sowohl im tibetischen Flüchtlingslager als auch in einem Altersheim gerichtet und eine Sofort-Hilfsaktion mit Hilfsgütern und Nahrungsmitteln für Alte und Bedürftige gestartet. 6.888 km liegen zwischen Mechernich und Kathmandu, und wenn ich schon diesen weiten Weg zurücklege, habe ich mir auch – wie im letzten Jahr – die Zeit genommen, einige von ihnen zu besuchen. Für sechs Betagte habe ich Notpakete mit einem Lebensmittel-Vorrat an Reis, Dhal, Tsampa, Eiern, Tee und Öl für die nächsten vier Monate organisiert.
Es ist beindruckend, was die Gesamtschule der Stadt Mechernich seit acht Jahren mit ihrem Engagement und den Aktionen in Nepal bewirkt hat! So sieht es auch die Jury von Jugend Hilft. Wir haben im März 2023 erneut einen Antrag bei Children Jugend Hilft gestellt. Nach dem Motto: „Soziales Engagement ist wichtig für eine lebenswerte Gesellschaft, in der niemand abgehängt und zurückgelassen wird“ fördert die Kinderhilfsorganisation –Children for a better World- finanziell soziale Projekte von engagierten Kindern und Jugendlichen. Children for a better World ist überzeugt: „Wer schon früh lernt, etwas bewegen zu können, wird für sich selbst und für unsere Gesellschaft mehr Verantwortung übernehmen“.
Eine Jury von Children Jugend Hilft hat sich erneut für eine Förderung unseres „Nepal-Projektes“ ausgesprochen. Das Preisgeld in Höhe von 1.300 € ist eine tolle Auszeichnung und Anerkennung für unser soziales Engagement. „Liebes Projektteam, die Jury ist von eurer Projektidee begeistert“. Besonders gelobt wurde unser kontinuierliches Engagement über die letzten Jahre sowie die vertiefte Auseinandersetzung mit unserem Projekt. „Es ist beeindruckend, wie viel zeitlichen und persönlichen Einsatz Ihr für euer Projekt aufbringt. Respekt dafür. Bitte macht unbedingt weiter so und bleibt mit Freude dabei!“
Namasté und danke an die, die unser Projekt unterstützen! Und ich hoffe, dass ich noch lange Menschen für unser Nepal-Projekt begeistern kann.
Catherine und die Schülerinnen und Schüler der Nepal-AG